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Emil und die Detektive

| Alina Facchinetti | Event-Tipps

Die Regisseurin Hanna Müller bringt Erich Kästners Kinderbuchabenteuer Emil und die Detektive bunt und laut auf die Bühne des Stadttheaters Bern. Und die Schauspieler*innen zeigen sich in Höchstform. Die Theaterkritik von der Leporello-Nachwuchsredaktorin Alina Facchinetti.

«Man kann nur Geschichten erzählen, die man auch wirklich erlebt hat», sagt der Mann im gelb-karierten Anzug, der sich als Herr Erich (Stefano Wenk) vorstellt. Er macht sich auf die Suche nach einer Geschichte, so dass er das Erlebte wahrheitsgetreu erzählen kann. Als er Emil (Viet Anh Alexander Tran) begegnet, der seine Grossmutter und Cousine Ponny Hütchen (Vanessa Bärtsch) in Berlin besuchen will, beschliesst Erich mit ihm zu reisen.

Der Name des Erzählers lässt auf den Autor Erich Kästner deuten. Das Publikum erhält so die Gelegenheit quasi live bei der Entstehung des Buchklassikers mit dabei zu sein. Das ist ein sehr schöner Regieeinfall! Erich erfindet denn auch die Geschichte nicht nur, er spielt auch darin mit, indem er hin und wieder verschiedene Nebenrollen übernimmt, die der Geschichte eine witzige Wendung verpassen. Ein rosaroter Regenmantel und eine weisse Haube auf den Kopf gesteckt und schon ist aus Erich – SCHWUPPS – Emils Grossmutter geworden. Ob hinter dem lustigen Erzähler tatsächlich der Autor steckt, wird geschickt offen gelassen.

«Warte nur, du Kanallie, dich kriegen wir!»
Auf Emils Reise von Bern nach Berlin bestiehlt ihn ein Mitreisender in seinem Abteil, der sich als Herr Grundeis vorstellt. Gespielt wird die Figur von Jeanne Devos, die durch Kostüm und Beleuchtung zwar irgendwie elegant, aber zugleich auch im durchgehend düster gehaltenen Bühnenbild sehr bedrohlich wirkt. Das Bühnenbild soll die «wilde Stadt Berlin», wie sie von allen genannt wird, darstellen. Der Nebel und die Band untermalen die beängstigende Stimmung noch mehr.

Die Musik gespielt von Phillippe Adam, Timo Loosli und Florian Möbes ist an die 1990er angelehnt. Die Musiker tragen auf der Bühne wilde Perücken und Bärte, die aber nicht ganz zum Gesamtbild passen, als wären sie willkürlich gewählt oder eben vielmehr in einer anderen Zeit verortet. An manchen Stellen greifen die Schauspieler*innen zum Mikrofon und beginnen zu singen. Die musikalischen Einschübe ergänzen sich gut mit der Geschichte und machen das Stück abwechslungsreich.

Einige Szenen sind aber überfüllt und wirken unübersichtlich. Manchmal sind Figuren auf der Bühne zu sehen, die keine relevante Rolle in der Handlung übernehmen. Bei Emils Ankunft in Berlin wirkt dies passend, da eben das «wilde Stadtgeschehen» gezeigt werden soll, aber bei der Suche nach Grundeis wirken die auffallend gekleidete Schauspieler*innen im nicht ausgeleuchteten Hintergrund eher aufgesetzt: einer trägt sogar einen Rabenkopf. Warum und wieso, bleibt offen. Auch der Erzähler schleicht an manchen Stellen plötzlich im Hintergrund über die Bühne ohne etwas zu sagen, ohne Zusammenhang, einfach so. Das verwirrt.

Gustav mit der Hupe, Frau Professor und Co.
Emil verzichtet auf eine Meldung bei der Polizei und nimmt stattdessen die Sache gleich selbst in die Hand und will zusammen mit seinen Freund*innen das Geld zurück zu holen und Grundeis fassen.

Emils Freund*innen lockern die düstere Stimmung auf. Alle sind sie einzigartig gestaltet und erhalten allein durch die Kostüme und die lustigen Namen schon ihren Charakter zugeteilt. So ist Gustav (Jonas Dumke) im bunten Jumpsuit, rosa Jeansjacke und Hupe zu sehen. Frau Professor (Nola Friedrich) trägt ein blaues Kleid mit Wolken darauf und eine rote Brille. Ganz auffällig ist der Glasrucksack, indem eine grüne Pflanze steckt, über den sie frischen Sauerstoff im durch Abgas verdreckten Berlin einatmen kann. Eine wirklich aparte Idee!

Parole: Emil!
Der erste Teil der Geschichte geht zu lang. Das eigentliche Ziel, Grundeis zu schnappen, rückt stark in den Hintergrund. Einige Szenen, wie zum Beispiel Emils Anreise oder die Besprechung unter den Freund*innen über das weitere Vorgehen könnten kürzer sein. Die Spannung, die am Anfang aufgebaut wird, verflacht sich und kommt erst am Schluss wieder richtig auf, als Emil und seine Freund*innen auf Grundeis treffen.

Schön ist, dass die Kinder im Publikum Teil des Bühnen-Geschehenes werden, als Frau Professor sie auffordert beim Fangen von Grundeis mitzuhelfen. Zu den sieben Schauspieler*innen kommen nun viele Kinder hinzu – Grundeis scheint umzingelt! Schade, beziehen die Schauspieler*innen das Publikum erst gegen Schluss in die Geschichte mit ein.

Und ein guter Detektiv oder eine gute Detektivin erkennt vielleicht bei genauem Hinsehen im Bühnenbild den Namen Emil. Einmal steht der Name kyrillisch geschrieben oder ist rückwärts zu lesen oder lässt sich aus einem Rebus-Rätsel erraten. Eine wirklich schöne Idee, aber die wenigsten im Publikum realisieren es wohl.

Bunt, laut und abenteuerlich kommt das Stück daher! Und die Schauspieler*innen sind in Top-Form. Ein schönes Theaterabenteuer für die ganze Familie.

«Emil und die Detektive» ist noch bis Januar 2022 im Stadttheater Bern zu sehen.


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Alina Facchinetti

Alina Facchinetti (20) lacht gerne, mag Schokolade, Theater, Filme und Bücher. Sie leitet die Kinder- und Jugendredaktion.
  • Erscheinungsdatum
    2021
  • Bewertung