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Alma und Oma im Museum

| Silke Rabus | Bilderbuch

Klug, witzig und inspirierend: Mit farbkräftigen Bildern und in lebendigen Dialogen erzählt Nikolaus Heidelbach von Alma und ihrer Oma, die gemeinsam ein Museum mit Gemälden aus der Zeit des Mittelalters besuchen. Der Tipp von Silke Rabus.

„Für einen vernünftigen Museumsbesuch braucht man drei Dinge“, erklärt Oma, als sie Alma abholt. „Erstens die richtigen Schuhe, zweitens gute Augen und drittens genug Zeit. Hast du alles?“ Und schon geht es los, mit der U-Bahn zum Dom, ein Stück zu Fuss und dann direkt in die Abteilung Mittelalterliche Malerei. Dass dieser Museumsbesuch kein gewöhnlicher werden wird, zeichnet sich schon auf den ersten Metern ab. „Alma?“, sagt die Grossmutter da nämlich und drückt ihrer Enkeltochter einen Kopfhörer in die Hand: „Du musst dir die Bilder alleine anschauen. Du setzt den hier auf und ich verschwinde.“ Warum? „Weil’s dann spannender wird!“

Wo bin ich?
Ganz verschwindet Oma allerdings nicht. Zum einen – wie macht sie das bloss? – ist sie irgendwie in neun der 16 von Alma betrachteten Gemälde hineingesprungen und kann dort in einem vergnüglichen Suchspiel immer wieder neu entdeckt werden. Zum anderen – „Alles eine Frage der Technik“ – kommuniziert sie mit dem Mädchen über den Kopfhörer. In einem inspirierenden, von lakonischem Humor getragenen Dialog zwischen der altklugen, selbstbewussten Alma und ihrer schlagfertigen Grossmutter wird die Kunst des Mittelalters dann wie nebenbei abgehandelt. Da geht es um Himmel und Hölle, echt aussehende Drachen und widerwärtige Ungeheuer, nackte Menschen in Taufbecken und falsch gezeichnete Prinzen, schwebende Heilige oder die sterbende Mutter Gottes. Wie die Bilder heissen, über die diskutiert wird und die sich in Wirklichkeit im Wallraf-Richartz-Museum in Köln befinden, erfährt man allenfalls am Rande.

Genau hingucken
Das macht aber nichts, denn erstens kann man das gut recherchieren und zweitens geht es in dieser aufregenden Kunstbilderbuchwelt vor allem ums genaue Hinschauen. Die farbkräftigen, teils ein-, teils auch doppelseitigen Illustrationen zeigen die Gemälde wie im Museum an der Wand hängend. Alma – in typisch Heidelbach’scher Manier als feistes Mädchen mit verzerrten Proportionen gezeichnet – ist dabei immer mit im Bild: rotes Faltenkleid, grüne Strumpfhose, rosa Handtasche, weisse Turnschuhe und knallrote Fingernägel. Dazu sieht man andere Museumsbesucher durch die Säle streifen. Diese bereiten in ihrer karikaturesken Ausgestaltung wohl auch erwachsenen Betrachtern grosse Freude. An modischen Accessoires wird ebenso wenig gespart wie an gesellschaftskritischen Spitzen – wenn etwa Vater und Sohn am „Weltgericht“ des Meisters von St. Severin vorbeimarschieren und dieses mit ihren Smartphones abfotografieren, ohne es eines Blickes zu würdigen. So lebendig, frech und witzig – und dennoch klug – wurde die Kunst des Mittelalters wohl selten in den Fokus eines Bilderbuchs genommen, und das alles im faszinierenden Wechselspiel von Illustration und Text.

 


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Silke Rabus

Silke Rabus ist Print- und Online-Redakteurin, Biografin, Lektorin, Journalistin, Kritikerin und Literaturvermittlerin. 
  • Titel
    Alma und Oma im Museum
  • Autor:in
    Nikolaus Heidelbach
  • Genre
    Fiction
  • Verlag
    Beltz & Gelberg
  • Erscheinungsdatum
    2019
  • Seiten
    48
  • Illustrator:in
    Nikolaus Heidelbach
  • Bewertung