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Als Oma immer kleiner wurde

| Ina Nefzer | Bilderbuch

Peppi erzählt vom natürlichen Lauf der Dinge: wie ihre geliebte Oma zuerst die Grösste ist, dann aber mit dem Alter immer winziger wird bis sie schliesslich - "zu klein für die Welt" - in Peppis Ohr weiterlebt. Der Bilderbuch-Tipp von Ina Nefzer.

Schon im Titel verrät dieses handlich-quadratische Bilderbuch, dass es hier eine Ich-Erzählerin gibt. Eine, die eine Oma hat und von der man erfährt, kaum schlägt man die ersten Seiten auf, dass sie Peppi heisst. Als Enkelin hat Peppi etwas Wichtiges zu erzählen. Manchmal ist es nur ein Satz, manchmal sind es immerhin mehrere Sätze pro Doppelseite. Peppi fällt es offenbar nicht leicht, zu erzählen, die Sätze sind gewichtig für sie. Nimmt man auch die rote Schrift, das hellbraune Papier und die schwarzweisse Farbigkeit der Zeichnungen, die auf jeder Doppelseite zu finden sind, hinzu, verfestigt sich dieser Eindruck: es geht in der Geschichte um etwas Ernstes.

Der natürliche Lauf der Dinge
Zuerst ist es die innig gelebte Liebe zwischen einer Grossmutter, die weltbeste Kartoffelpuffer backen kann, und ihrer Enkelin, die am liebsten bei Oma Zeit verbringt. Es sind die schönen gemeinsamen Rituale mit einer Oma, die als Erwachsene gross genug ist, um schwere Einkäufe nachhause zu schleppen oder furchtlos Kohlen aus dem Keller zu holen. Bis Peppi irgendwann merkt, dass ihre Grossmutter kleiner wird. Aus Sicht des Kindes eigentlich nichts Ungewöhnliches, wird doch das Mädchen immer älter und grösser. Der gewohnte Blickwinkel, von unten nach oben, verschiebt sich und damit auch die wahrgenommene Grösse. Und tatsächlich: je kleiner Oma wird, desto stärker, tapferer und grösser wird Peppi. Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Doch in Peppis Geschichte passiert das alles ziemlich schnell, fast wie im Zeitraffer. Die Oma schrumpft erst auf Puppengrösse und findet schliesslich auf einem Spielwürfel Platz. Nun hat sich alles umgekehrt: die Junge sorgt für die Alte, schliesslich klettert die sogar in Peppis Ohr. "Und weil Oma inzwischen viel zu klein für die Welt wäre, bleibt sie einfach da drin, in meinem Ohr, und macht es sich gemütlich". So bleiben die beiden für immer zusammen.

Tröstlich
Haben die beeindruckenden Illustrationen von Mehrdad Zaeri bislang die Perspektive des Mädchens dargestellt, ändert sich das auf den letzten Bildern. Beginnend mit einem offenen Fenster und wehenden Gardienen, wird die Entfernung zum Bildsujet immer grösser. Von oben sieht man das Mädchen am Fenster, dann ihr Haus und schliesslich die ganze Gegend. Peppis Oma - davon erzählen nur die Bilder - ist im Himmel. Der Text endet, wie er angefangen hat, aus Peppis Perspektive mit einer tröstlichen Vorstellung: "Das ist ein tolles Ding, finde ich, wenn man so eine kleine Oma hat!"

"Als Oma immer kleiner wurde" ist die Geschichte über den Tod eines geliebten Menschen, in dem nicht einmal das Wort selbst vorkommt. Erzählt wird ausschliesslich in Bildern, sprachlich wie visuell. Den tieferliegenden Sinn dieser Parabel kann man, muss ihn aber nicht begreifen. Ob man ihn nur ahnt oder versteht, dies Bilderbuch beruhigt und tröstet, ohne irgendetwas zu verschweigen.


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Ina Nefzer

Ina Nefzer ist promovierte Germanistin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur. 2001 bis 2006 war sie Chefredakteurin der Fachzeitschrift ESELSOHR, bis 2008 des Kindermagazins DER BUNTE HUND. H...
  • Titel
    Als Oma immer kleiner wurde
  • Autor:in
    Inka Pabst
  • Genre
    Fiction
  • Verlag
    Tulipan
  • Erscheinungsdatum
    2017
  • Seiten
    64
  • Illustrator:in
    Mehrdad Zaeri
  • Bewertung