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Der Wolf, die Ente & die Maus

| Ina Nefzer | Bilderbuch

In diesem Bilderbuch erzählen Mac Barnett und Jon Klassen wie Ente und Maus im Wolfsbauch eine tierische WG gründen. Eine umwerfende Geschichte über das Gefressenwerden, die das Leben feiert! Der Tipp von Ina Nefzer.

Wer ein Bilderbuch aufschlägt, an dem Jon Klassen mitwirkt, muss damit rechnen, dass jemand gefressen wird! Was im Märchen genretypisch an der Tagesordnung ist, bleibt im Bilderbuch ein Tabu, welches der kanadische Künstler mit seinem Erfolgstitel „Wo ist mein Hut?“, für den er 2013 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt, bereits medienwirksam gebrochen hat. Was dort zwar nicht ausgesprochen, jedoch mittels einer monochromen Seite in roter Farbe sowie weiteren Bilddetails drastisch nahegelegt wird, zeigt sein neuestes Bilderbuch „Der Wolf, die Ente & die Maus“ ganz genau: der Wolf frisst die ängstliche Maus. Damit ist die Geschichte aber längst nicht zu Ende. Denn der Wolf hat die Maus nicht verspeist, sondern nur geschluckt. So findet sie sich gänzlich unversehrt in seinem Bauch wieder und trifft dort eine Ente und allerlei weitere, auf dieselbe Weise einverleibte Sachen. Mit diesen hat sich die Schicksalsgenossin bereits häuslich eingerichtet: Es gibt eine Lampe, Bett, Tisch, Stühle, sogar eine Küche und ein Grammophon. Die beiden lassen es sich gut gehen, kochen und tanzen miteinander. Ihnen geht es im Bauch besser als draussen, wo sie – sinniert die Ente klug – immer Angst hatte, gefressen zu werden.

Tierische WG
Solch lebenskluge Erkenntnisse sind schon sehr witzig, doch es kommt noch besser: „Vom Rabatz in ihm drin bekam der Wolf Magenschmerzen. Herrje! Noch nie hat es mich so gezwickt und gezwackt. Ich muss etwas Falsches gegessen haben.“ Die lebendigen Speisen sind vorwitzig genug, Ratschläge die Speiseröhre hoch zu brüllen, sie wüssten ein gutes Hausmittel gegen Bauchgrimmen: „Ein Stück guter Käse. Und eine Flasche Wein! Und ein paar Kerzen aus Bienenwachs.“ An diesem Abend schlemmen die beiden und stossen auf das „Wohl des Wolfes“ an. Als der jedoch, zunehmend geschwächt, vom Jäger entdeckt und gejagt wird, befreien sich Ente und Maus und stehen ihm kämpferisch zur Seite. Als die drei draussen einander auf Augenhöhe gegenüberstehen, wird der Wolf ganz rührseelig: „Ihr habt mein Leben gerettet, obwohl ich eures nicht geschont habe. Ihr habt einen Wunsch frei.“ Was sie sich wünschen, ist ausschliesslich im Bild zu sehen, eine tierische WG.

Der Schalk im Nacken
Inspiriert von berühmten Stoffen wie „Jona und der Wal“ aus dem Alten Testament oder „Grimms „Rotkäppchen“ wird auch hier „existenzielle Bedrohung“ anhand der gegensätzlichen Bildmotive „innen und aussen“ durchgespielt. Allerdings auf so humorvolle, pfiffige und überraschende Art und Weise, dass der Thematik jeglicher Schrecken abhandenkommt.
Diese Tragikomik strahlen auch Jon Klassens Bilder aus: Reduziert, flächig, skizzenhaft und trist in der Farbwahl. Gestaltet in dem für ihn charakteristischen Darstellungsstil mit Collagen aus gemalten und gezeichneten Versatzstücken, die ausgeschnitten und aufgeklebt werden. Die entstehenden Bildflächen werden mit breitem Pinselstrich pastos oder deckend ausgefüllt und in Details zeichnerisch ergänzt.
So sitzt auch diesem Bilderbuch der Schalk im Nacken: in der verschmitzten Mimik und Gestik der Figuren. Sie ist schlicht umwerfend, diese Geschichte über das Gefressenwerden, die das Leben feiert!


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Ina Nefzer

Ina Nefzer ist promovierte Germanistin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur. 2001 bis 2006 war sie Chefredakteurin der Fachzeitschrift ESELSOHR, bis 2008 des Kindermagazins DER BUNTE HUND. H...
  • Titel
    Der Wolf, die Ente & die Maus
  • Autor:in
    Mac Barnett
  • Genre
    Fiction
  • Verlag
    NordSüd
  • Erscheinungsdatum
    2018
  • Seiten
    40
  • Illustrator:in
    Jon Klassen
  • Übersetzer:in
    Thomas Bodmer
  • Bewertung