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Die Ton-Angeber

| Fachredaktion | Bilderbuch

Das Kindersachbuch "Die Ton-Angeber" ist wahrlich kunstvoll und stellt die Instrumente und ihr Zusammenspiel im Orchester in den Mittelpunkt. Die Doppel-Rezension von Elisabeth Magesacher und Christina Ulm finden "Die Ton-Angeber"

„Die Oboe begann."

Dieses „musikalische Streitgespräch" setzt ein mit jenem spannungsgeladenen Moment vor jedem Konzert, wenn alle Instrumente des Orchesters zum schaurig-schönen Vielklang ansetzen, um sich aufeinander einzustimmen. Dieser Prozess – unabdingbar für das gemeinsame Zusammenspiel und gleichzeitig Ritual vor jedem Konzert – wird in diesem Sachbilderbuch genutzt, um die einzelnen Instrumente des Orchesters nacheinander vorzustellen und dabei eine Fülle an musikwissenschaftlichen Informationen zu vermitteln.

Wie immer ist die Oboe die erste: „Mit ihrer durchdringenden Stimme teilt sie allen mit, wie wichtig sie war. Sie spielte den Kammerton a." Das „beste, wahrste, reinste, vollkommenste Oboen-a" gibt sie an den Konzertmeister weiter, ihr folgen Geigen, Klarinette, Flöte, Fagott, Trompete, Horn, Posaune, Pauken, Bratschen, Celli und Kontrabässe.

Jedem personalisierten Instrument ist eine Doppelseite gewidmet: In viel Weiß- oder Schwarzraum visualisieren poppige Neonfarben den entsprechenden Klang der einzelnen Instrumente. Die jeweiligen MusikerInnen scheinen Picassos Bildwelten entlehnt, geraten aber hier fast zur Nebensache. Im Mittelpunkt stehen die Instrumente selbst. Durch die bildliche Darstellung der selbigen werden nicht nur Informationen zu Bau- und Spielweise vermittelt, auch gibt die Visualisierung der Instrumentenklänge Aufschluss über Klangfarbe bzw. Tonerzeugung: So dehnen sich die Paukenschläge („Freude bringen wir am besten zum Ausdruck") in riesigem Pink-Orange in den Bildraum aus, während der Geigenton („sie waren ein wenig verstört, ihr Ton war zart, ein wenig weinerlich, vibrierend") als zitternde dünne Wellenlinie kreuz und quer über die Doppelseite schwingt. Einen Eindruck davon kann man im wunderbaren Buchtrailer des Buches gewinnen!

Im Text kommen die angeberischen Instrumente selbst zu Wort. In ihrer Selbstcharakterisierung, wie sie besonders in Bezug auf Klangfarbenbeschreibung treffender nicht sein könnte („Ich bin die Helligkeit selbst", mischte sich stolz die Trompete ein. „Ich sprühe Funken und glänze, und jeder meiner Töne ist aus purem Silber!"), werden hier auch musikhistorische Informationen gegeben („Die Flöte war eifersüchtig. Schließlich war sie das Instrument der Götter und der Hirten!").

Thematisiert werden die verschiedenen Instrumentenstimmen in einem symphonischen Werk und damit auch die Rollenverteilung der Instrumentengruppen: Die Oboe beharrt auf ihre Führungsrolle, das Horn bläst zur Jagd, für die Liebe sind sich die Celli zuständig und die Bratschen fühlen sich vernachlässigt und schweigen beleidigt.

Besonders bemerkenswert an diesem Buch ist, dass die ProtagonistInnen – die personalisierten Instrumente – zwar der Besetzung eines Symphonieorchesters entsprechen, das Buch jedoch trotzdem nicht ausschließlich in der europäischen Kunstmusik verortet ist: Betrachtet man die MusikerInnendarstellungen, finden sich Hinweise auf Jazz (Posaune), Altertum (Flöte) und Rock (Pauke) Eine Doppelseite erinnert sogar an eine Werkpartitur der Neuen Musik.

Mit der eitlen (Selbst-)Beschreibung der einzelnen Instrumente, den expressiven Illustrationen ihres Klangs und dem finalen harmonischen Zusammenspiel des Orchesters vor dem Dirigenten steht dieses kunstvolle Musiksachbuch für Synästhesie vom Feinsten:

„Er machte eine erste Handbewegung und sie begannen zu spielen. In Harmonie und Eintracht ergänzten sie einander und unterstützten sich. [...] Jeder spielte seine Rolle."


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Fachredaktion

  • Titel
    Die Ton-Angeber
  • Autor:in
    Anna Czerwinska-Rydel
  • Verlag
  • Erscheinungsdatum
    2013
  • Seiten
    44
  • Illustrator:in
    Marta Ignerska
  • Übersetzer:in
    Olaf Kühl
  • Bewertung