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Auf dem Cover dieses Bilderbuchs sieht man eine Frau mit schwarzen langen Haaren und ihre sieben Kinder. Titel wie Untertitel – „Davon, wie Schneewittchens Enkel in die Berge wollen und ALLES schiefgeht“ – nehmen direkt Bezug auf das Grimm’sche Märchen. Doch nicht von früheren Zeiten soll die Rede sein, es geht um heute. Die märchenhafte Schlussfloskel „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ wird beim Wort genommen: Schneewittchen ist inzwischen Grossmutter. Ihre sieben Enkelkinder werden, bevor die Geschichte richtig losgeht, in Kurzporträts vorgestellt: die Zwillinge Ali und Uli, die vorsichtige Lola, die sportlich-quirlige Paula, der praktisch veranlagte Hanno, die kluge Fritzi, die „jeden Tag mehrere Bücher und die Tageszeitung“ liest, und das Baby, das einfach nur Baby heisst.

Skype-Schaltung zu Schneewittchen
Eine Einleitungsformel wie „es war einmal“ sucht man vergebens. Es geht direkt los mit Kindern, die alleine zuhause sind, und sich über den fehlenden Schnee im Winter beklagen. Mit kurzen prägnanten Sätzen und Sprachmustern, die gereiht oder in Variationen wiederholt werden, bildet Autorin Annette Feldmann deren kindliche Wahrnehmung und Sprache ab: „Pfote nass. Fluss nass. Schiff nass. Schlitten nass. Nie schneit es! Immer nur Regen, Regen, Regen! Es tropft und rinnt und fliest und schüttet“. Per skype-Schaltung auf dem Tablet telefonieren die sieben eigenständig mit Oma Schneewittchen im Gebirge und kündigen ihr Kommen an. „Na, das ist ja eine tolle Überraschung!“, sagt die Mutter, als sie mit Einkaufskörben bepackt nach Hause kommt.
Den ganz normalen, täglichen Wahnsinn einer allein erziehenden Mutter von sieben Kindern illustriert Mereike Engelke im Doppelseiten grossen Querformat zeichnerisch mit vielfarbigen schrägen Linien und Flächen genauso chaotisch wie es ist: da tanzt ein kleines Kind neben gefüllter Tasse, Schere und Brotmesser auf dem Tisch, darunter liegen Nägel, der Stuhl daneben umgefallen mit abgesägtem Stuhlbein, die Palme vertrocknet. Doch statt in die Berge zu fahren, bekommen alle die Windpocken.

Schneewittchen wartet mit Apfelkuchen
Es folgt ein herrlicher Sommer, in dem Eisverkäufer Bo ins Spiel kommt, und im Herbst muss Mama auf dem Markt Äpfel verkaufen: „Mama, du zerstörst alles!“ macht Hanno seiner Enttäuschung Luft. Als es dann endlich wieder Winter ist und alle mit ihren vielen „Siebensachen“ unterwegs zu Oma sind, streikt das Auto. Bo schleppt kurzerhand alle zu Oma ab, die bereits mit selbst gebackenem Apfelkuchen wartet. Handgefertigte Schriften, die in die Bilder kopiert sind, ergänzen jede Seite um mündliche Aussagen: „Wie schön, dass ihr da seid!“
Ebenso ausschnitthaft und momentverhaftet wie der Text die Geschichte erzählt, wird sie auch ins Bild gesetzt. Der skizzenhafte Darstellungsstil konturiert das eine, füllt das andere mit Farbflächen aus, um das Dritte mit Glitzer zu belegen. Dass es gerade die glitzernden Äpfel sind, die betont werden, weisst sie als Symbol eines Märchens aus, auf das inhaltlich wie formal Bezug genommen wird. Das schwarzhaarige Schneewittchen, die Zahl Sieben und rote Äpfel sind jedoch nicht als traditionelle, Sinn stiftende Symbole im Einsatz, sondern rein spielerisch. Diese Bilderbuchgeschichte ist daher nicht als Neuinterpretation eines alten Märchenstoffes interessant, sondern hinsichtlich seiner völlig unbekümmerten Verwendung. Geht es doch hier um etwas ganz anderes: um modernes Mutter- und Kinderleben, das bezaubernd lebendig, wahrherzig und künstlerisch bestechend eingefangen ist.