Ich wünschte
Die von Ingrid Godon gemalten Porträts entführen in eine Zeit, in der man auf Fotos noch nicht lächelte. Ein grossartiges philosophisches Gedankenexperiment.
Die von Ingrid Godon gemalten Porträts entführen in eine Zeit, in der man auf Fotos noch nicht lächelte. Mit geschlossenen Mündern flüstern, sprechen und schreien uns die Porträtierten stumm ihre Wünsche, Sehnsüchte, Ängste und Ärgernisse entgegen. Die poetischen Texte von Toon Tellegen fangen ein, was die Blicke erahnen lassen. Ein verstörend schönes Buch. Stumm und vielsagend zugleich blicken Säuglinge, Kinder, Jugendliche, Männer und Frauen dem Betrachter direkt entgegen. Ihr Kopf füllt beinahe die ganze Seite des grossformatigen Buches, das durch seine hochwertige und bibliophile Ausstattung besticht. Ernst, gefasst und ein wenig steif blicken die Porträtierten in die Welt, ganz so, als hätte ihnen ein Fotograf aus längst vergangenen Tagen ihren Platz angewiesen und sie ermahnt unter keinen Umständen eine Regung zu zeigen. Befremdlich und ungewohnt ist der Anblick der Gesichter mit den weit auseinanderstehenden Augen. Und doch kann man den Blick nicht von ihnen abwenden. Immer wieder muss man die Blicke erwidern, um sie zu ergründen und um zu erspüren, was sich hinter diesen Augen verbirgt. Sind sie glücklich? Sehen sie traurig, wütend, arrogant, hilflos, verzweifelt oder gar gelangweilt aus? Der flämische Autor Toon Tellegen hat sich auf die Suche nach den Geschichten hinter den Gesichtern gemacht. Was er in den nostalgischen Bildern entdeckt hat, erzählt er in poetischen Kurztexten. Es sind warme Gedankenstücke, Träume, Utopien, die er den Figuren von den Augen abliest. Wünsche, ebenso individuell wie universell: nach einem besonderen Haustier, nach Glück, nach Schönheit, nach Vertrauen, nach Hoffnung und Mut. Manchmal auch nach einem Alibi für jeden einzelnen Moment, oder danach Musik zu sein: «Ein Lied, das alle trällern, pfeifen, summen, und das alle im Kopf haben, wenn sie verliebt sind.» Wie die Bilder erlauben auch die kurzen Texte einen Blick hinter die Fassade, hinein in die ergreifende und inspirierende Gedankenwelt der Figuren: Die Geschichten der Porträtierten wollen weitergesponnen, erkundet und neu erfunden werden; und auch eigene Gedanken und Wünsche wollen entdeckt und ausgelotet werden. Ein grossartiges philosophisches Gedankenexperiment.
Kritikerjury
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    TitelIch wünschte
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    Autor:inToon Tellegen
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    VerlagMixtvision
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    Erscheinungsdatum2012
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    Illustrator:inIngrid Godon
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    Bewertung