Das Mädchen mit den gläsernen Füssen
Ali Shaws Debut „Das Mädchen mit den gläsernen Füssen“ ist ein modernes Märchen für junge Erwachsene mit einer bestechenden Prise Melancholie. Der Buchtipp der Leporello-Jugendredaktorin Jessica Nirkko.
Etwas Unfassbares geschieht mit Ida Maclaird: Sie verwandelt sich von ihren Füssen an langsam zu Glas. So kehrt die ehemals extrovertierte junge Frau ihrem alten Leben den Rücken und reist auf die verwunschene Insel St. Haudas Land, den einzigen Ort, an dem sie sich Hilfe erhofft. St. Haudas Land ist eine eigenartige, abgelegene Insel im Norden, auf der die Einwohner emotional fast so eingefroren sind wie die Landschaft selbst.
Märchenhaft beschreibt Ali Shaw die verwunschene Landschaft – den wabernden Nebel, die wehenden Schneeflocken, die hellen, kalten Farbtöne, zauberhafte Wälder, Moore, Felder. So passen auch die etwas sonderbaren Kreaturen, wie kleinste fliegende Ochsen mit Mottenflügeln oder riesige leuchtende Quallen reibungslos in unsere Welt. So reibungslos eben, wie Menschen, die sich zu Glas verwandeln.
Besonders genau nimmt ein weiterer Hauptprotagonist, Midas Crook, seine Umgebung wahr. Als einer der vielen von der Vergangenheit gequälten einheimischen Eigenbrötler der Insel widmet er sich vollkommen der Fotographie. Als er zum ersten Mal die zerbrechliche Gestalt Idas entdeckt, ist er gleichermassen fasziniert wie eingeschüchtert.
Episodenhaft erzählt der Autor in seinen Kapiteln vom Leben und Leiden verschiedenster Charaktere. Alle haben Fehler und sind nicht unbedingt liebenswert, aber allesamt einnehmend. Nach und nach klärt sich der Nebel und es kristallisiert sich ein feines Netz heraus, indem alle irgendwie miteinander verbunden sind. Inmitten dieses Netzes entwickelt sich die zarte Liebe zwischen Midas und Ida. Sie ist die einzige, die seine frostige Art aufzutauen vermag und versucht ihn vor den Echos aus seiner Vergangenheit zu schützen, während er sie vor ihrer gläsernen Zukunft zu wahren versucht. Doch die Zeit schleicht ihnen unerbittlich davon ...
In "Das Mädchen mit den gläsernen Füssen“ erschafft Ali Shaw mit einer Mischung aus Einsamkeit, Hoffnung und Liebe eine bucheigene Atmosphäre, die lange nach der letzten umgeblätterten Seite mit einem bleibt. Ein bittersüsser Nachhall, voller Melancholie. Ali Shaws zerbrechliches Werk ist ein neues Märchen.
Märchenhaft sind auch das filigrane Cover und die schillernd silbernen Seitenränder. „Das Mädchen mit den gläsernen Füssen“ wird somit auch rein optisch zu einem der schönsten Bücher im Regal.
Wer sich auf einen eher gemächlich fortschreitenden, aber herzerwärmenden Roman einlassen kann, soll „Das Mädchen mit den gläsernen Füssen“ nicht missen.
Kinder- und Jugendredaktion

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TitelDas Mädchen mit den gläsernen Füssen
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Autor:inAli Shaw
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VerlagSkript 5
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Erscheinungsdatum2012
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Seiten400
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Übersetzer:inSandra Knuffinke und Jessika Komina
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Bewertung