Landei
„Das Leben bietet nicht viel Schönes, wenn man kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt und in eine Box gesperrt wird, die nur so gross ist, wie man acht Wochen später selber sein wird." Und was danach auf die kleinen Kälber wartet, ist noch trauriger. Zum Glück sind Inga und Grete keine Kälber. Der Comic-Tipp von Bettina Wegenast.
Für Kinder gibt es auf dem Bauernhof in Norddeutschland eine Menge Platz zum Wachsen. Jedenfalls körperlich. Denn Inga wird schon früh klar, dass auch für Menschenkinder die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Grenzen gibt es überall. Manche kann man sehen: Zäune, Türen oder das Geburtstdatum, das für den Einstieg ins neue Schuljahr leider um zwei Tage zu spät liegt. Diese Grenzen können zwar lästig sein, aber über Zäune kann man klettern, Türen haben Schlüssellöcher und die Zeit vergeht.
Komplizierter ist es mit den Grenzen, die man nicht sieht. Und die sind überall: die Grenze zwischen "lustig" und "lästig", zwischen "natürlich" und "vulgär", zwischen "artig " und "ungezogen" und natürlich die Grenze zwischen "Männerangelegenheiten" und "Frauenkram".
Wie muss man sich also bewegen, ohne all diese unsichtbaren Linien zu übertreten? Inga beobachtet ihre Umgebung ganz genau und kommt zum Schluss, dass es besser ist, im Leben immer schön vorsichtig zu sein ...
Zum Glück ist Christiane Pieper keine vorsichtige Zeichnerin. Ihr Comic hat Schwung, Tempo und Witz, ohne über die existenziellen Fragen und Nöte von Kindheit hinweg zu huschen oder sich darüber lustig zu machen.
Ihre Bildsprache ist leicht lesbar, ohne statisch zu sein und obwohl "Landei" nicht farbig ist, wirkt das Comic bunt und sinnlich. "Landei"- ist das charmante Protokoll einer Kindheit auf dem Land, Ende der sechziger Jahre.
Fachredaktion
