Mehr als das
Seth stirbt. Und wacht in einer anderen Welt wieder auf. Dies kann nur die Hölle sein. Oder? Patrick Ness Jugendbuch „Mehr als das" ist letztlich ein Zukunftsroman über das Leben. Und darüber, ob da nicht noch mehr sein müsste. Die Kritik von Sabrina Michel.
Normalerweise kommt der Tod erst am Ende einer Geschichte. Nicht so in „Mehr als das". Gleich zu Beginn ertrinkt ein Junge, dessen Todeskampf hautnah geschildert wird. Und dann wacht er, in Alufolie eingewickelt, auf einer Strasse wieder auf. Links und rechts wächst hohes Unkraut, die Häuser sind verstaubt und ausser dem Jungen scheint sich keine Menschenseele an diesem Ort aufzuhalten.
Den Jungen, dessen Namen Seth man erst nach einigen Seiten erfährt, lernt man durch Ausschnitte seines Lebens kennen, die in Form von Träumen erzählt werden.
Oder sind es gar keine Träume? Für Seth fühlt es sich an, als würde er jene Ausschnitte seines Lebens noch einmal erleben.
Bis Seite 180 ist Seth ahnungslos, völlig allein in der neuen Welt. Der Leser muss sich deshalb mit Seths Gedanken und seinen Träumen begnügen. Etwas ungewohnt liest sich das, aber dadurch werden eine Einsamkeit und Machtlosigkeit ausgedrückt, welche sonst nicht in dieser Art zur Geltung kämen. Seth weiss nicht, wonach er sucht. Und wir wissen es auch nicht. Selbst wenn sich mit der Zeit die Puzzleteile vermeintlich zusammenfügen, zu einer Klärung führt dies nicht.
Ein tristes, neues Leben
Durch Seths Alleinsein und durch die Verlassenheit der Welt, in der er gelandet ist, wirkt das Buch sehr grau und trist. Trotzdem bleibt es nicht flach, denn da Seth sich selbst teilweise neu kennen lernen muss, lernen wir ihn mit ihm kennen. Die ersehnten Informationen werden jedoch immer nur in sehr kleinen Dosen geliefert.
Ist es die Hölle? Ein Traum? Oder die reale Welt?
Seth nimmt an, dass er in der Hölle gelandet ist. Doch als er eines Tages auf Regine und Tomasz trifft, welche ebenfalls gestorben sind, ist er sich dessen nicht mehr so sicher, denn Regine vermutet etwas anderes:
„Du glaubst es also wirklich?", fragt Seth. „Dass dieses hier die reale Welt ist und alles andere ein Traum war?"
Doch auch dies ist nur eine Vermutung. Wieso hat sich dann vorhin alles so echt angefühlt? Und wo sind dann alle anderen Menschen hingekommen? Warum sind alle Häuser verstaubt und verlassen?
Auch das offene Ende löst das Rätsel nicht auf. Aber wie sollte es auch? Schliesslich weiss von uns auch niemand, in welcher Ebene des Lebens er sich gerade befindet.
Kinder- und Jugendredaktion
