Schneckenmühle
Ein letztes Mal geht es in diesem Sommer für Jens in das sächsische Ferienlager Schneckenmühle. Doch nicht nur, weil er im nächsten Jahr zu alt für das Ferienlager ist, nein auch, weil es die DDR danach nicht mehr geben wird. Jochen Schmidts Roman "Schneckenmühle" erzählt von den Umbrüchen im Leben eines Jugendlichen. Der Tipp von Ines Galling.
Für Jens geht's ins sächsische Ferienlager Schneckemühle – zum Gepäck mit Zahnbürste und Nickipullover gesellen sich Vorfreude und ein wenig Muffensausen. Schließlich warten in Schneckenmühle nicht nur Skat und Tischtennis, sondern auch Disko und Mädchen.
Hinter Bergen des Erzgebirges bietet Schneckenmühle Jens eine letzte Verschnaufpause auf dem Weg in ein durch Zwänge und Pflichten bestimmtes Erwachsenenleben. Nächstes Jahr – mit 15 – ist er zu alt für das Ferienlager. Daher heisst es nun, das lässige Mischen der Spielkarten und das Tanzen zu perfektionieren, eine Freundin zu finden und Abenteuer zu erleben.
Umbruch und Aufbruch
Bei Jens „kitzelt es im Bauch", wenn er sich „über unser Land lustig macht". Systemkritik macht er hauptsächlich an der Mangelwirtschaft fest, Westpakete sind ein Schatz. Doch dass es mit der DDR tatsächlich zu Ende gehen soll, kann sich Jens nicht vorstellen – auch wenn es bereits rumort: „Meinst du Wulf ist jetzt wirklich im Westen?"
Der Roman „Schneckenmühle" unterläuft die Überlegungen seines Erzählers, dass „es nicht möglich war, alles genauso zu beschreiben, wie es gewesen war". Denn es ist möglich. Der naiv-assoziative Erzählton mit kuriosen Kausalketten und versponnenen Reflexionen schafft nicht nur eine unaufgeregte und gleichzeitig verdichtete Bildsprache, sondern trägt auch dazu bei, dass sich „Schneckenmühle" vom Duktus der Erinnerungsprosa distanziert und Unmittelbarkeit etabliert.
Ein Roman über die Zeit
„Schneckenmühle" ist, indem eine Coming-of-Age-Geschichte mit einem Coming-to-an-End-Roman verwoben wird, auch ein Roman über die Zeit: Jens wird erwachsen, die DDR löst sich auf. Die Kindheit geht vorbei, ein neuer Staat kann entstehen. Die Schnittmenge aus Vergangenheit und Zukunft heißt Umbruch – und auch wenn sich Jens wünscht, dass „wir [...] für immer im Ferienlager bleiben könnten [...]", so rattert Jens im Wartburg seiner Eltern unaufhaltsam Richtung Ungarn, „Wassermelonen und Danone-Joghurt" entgegen.
Es ist Zeit für etwas Neues.
Fachredaktion
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TitelSchneckenmühle
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Autor:inJochen Schmidt
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VerlagC.H.Beck
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Erscheinungsdatum2013
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Seiten220
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