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Und in mir der unbesiegbare Sommer

| Kinder- und Jugendredaktion | Jugendbuch

„Liebe Joanna ...“, weiter kommt Lina mit dem Brief an ihre Cousine nicht. Sie wird zusammen mit ihrer ganzen Familie deportiert – in einem finsteren Viehwaggon. „Und in mir der unbesiegbare Sommer“ von Ruta Sepetys ist ebenso beklemmend wie aufwühlend. Der Tipp von Vera Lehmann.


«Sie klopften nicht. Nein, es war ein drängendes Hämmern, das mich vom Stuhl hochschrecken liess.»


Die lange im Voraus geplante Flucht aus Litauen, die Linas Eltern selbst vor ihr geheimgehalten wollten, scheitert in genau diesem Augenblick: 1941 wird Lina zusammen mit ihren Eltern, ihrem kleinen Bruder und zehntausend anderen Balten von der sowjetischen Geheimpolizei nach Sibirien in ein Arbeitslager transportiert.

Über Stalins Greueltaten und Massendeportationen während des Zweiten Weltkrieges sind mir bis jetzt noch keine Jugendbücher begegnet. Dabei ist es ein ganz wichtiges Thema.

Die  Autorin Ruta Sepetys, selbst Nachfahrin litauischer Flüchtlinge, schreibt in ihrem Nachwort, dass es ihr darum geht, den Opfern eine literarische und zugleich authentische Stimme zu geben. – Ich finde, das ist ihr sehr gut gelungen.

In ihrem Roman «Und in mir der unbesiegbare Sommer» stellt Ruta Sepetys eine Gruppe von Opfern in den Mittelpunkt, die im kollektiven Gedächtnis kaum präsent ist: Die Protagonisten gehören zu jenen, die nach der Annektierung ihrer Heimatländer während des Krieges in sowjetische Arbeitslager und Gefängnisse in Sibirien abtransportiert wurden.

Hoffnung zeichnen

Lina erlebt während und nach ihrer Deportation viele schreckliche, unbeschreibbare Momente. Sie sieht wie Menschen geschlagen, misshandelt, gefoltert und als «Huren und Diebe» verhöhnt werden. Um mit ihren Emotionen irgendwie umgehen zu können, beginnt Lina zu zeichnen. Sie zeichnet mit Stöcken in den Dreck, in den Staub, auf Rinde, Taschentücher, auf jede freie Fläche die zu finden ist. Papier wird ihr heiligstes Gut.

Und immer und immer wieder taucht Andrius auf ihren Zeichnungen auf. Dabei hatte sie ihn auf den Tod nicht ausstehen können, und nun hat sie das Schicksal zusammengeführt. Doch wie soll ihre junge Liebe unter diesen unmenschlichen Bedingungen überhaupt bestehen können?

Linas Schicksal hat mich durchgeschüttelt. Ruta Sepetys schreibt mitreissend. Und obwohl ein grosser Teil der Handlung sich innerhalb des Viehwaggons abspielt, ist der Jugendroman nie langfädig oder mühsam zu lesen. Lina ist so clever und dabei so menschlich. Stets wird sehr ausführlich von der Autorin beschrieben, was in der Fünfzehnjährigen vorgeht.
Lina gibt dabie die Hoffnung nicht auf. In ihr siegt der Sommer und der Glaube an eine bessere Zeit bleibt in ihr bestehen.

Ein trauriges, aber auch ein ganz wichtiges Buch, das mich aufgewühlt und zum Nachdenken angeregt hat.


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Kinder- und Jugendredaktion

  • Titel
    Und in mir der unbesiegbare Sommer
  • Autor:in
    Ruta Sepetys
  • Verlag
    Carlsen
  • Erscheinungsdatum
    2012
  • Seiten
    304
  • Übersetzer:in
    Henning Ahrens
  • Bewertung