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Crenshaw - Einmal schwarzer Kater

| Fachredaktion | Kinderbuch

Berührend erzählt Katherine Applegate aus der Sicht eines betroffenen Kindes den unverschuldeten Abstieg seiner Familie in die Obdachlosigkeit. Der Buchtipp für Kinder und Erwachsene von Martina Friedrich.

„Ich liebte meine Familie. Aber gleichzeitig hatte ich auch die Nase voll von ihr. Ich hatte die Nase voll davon, hungrig zu sein [...] Ich vermisste mein Bett. Ich vermisste meine Bücher und meine Legos. Ich vermisste sogar die Badewanne. Das waren die Fakten.“
Die amerikanische Autorin Katherine Applegate lässt ihre Hauptfigur mit klaren Worten erzählen. Jackson bemerkt, dass die Eltern nicht genügend Geld zur Verfügung haben und erinnert sich an die Zeit als die Familie, damals war er gerade sieben, schon einmal für mehrere Wochen im Minivan lebte. Für Kinder gut nachvollziehbar werden so Konsequenzen der Obdachlosigkeit geschildert, die für die Aussenstehende nicht immer offensichtlich sind.


Träumen von einem normalen Leben
Im Augenblick führt Jackson ein halbwegs geregeltes Leben. Der Fünftklässler träumt davon Wissenschaftler zu werden. Am liebsten möchte er gemeinsam mit seiner Freundin Marisol die Natur erforschen. Die Kinder haben einen Hundeausführ-Service gegründet und tauschen sich beim gemeinsamen Hundeausführen ungestört über unglaubliche Fakten aus der Natur aus. Aber wie lange noch? Jacksons Eltern haben einen Räumungsbescheid für die Wohnung erhalten, da sie die Mietschulden nicht zurückzahlen können. Der Lohn der Mutter, einer ehemaligen Musiklehrerin, die nach ihrer Kündigung jetzt als Bedienung in zwei Restaurants und als Kassiererin in einer Drogerie arbeitet, kann die Kosten für den Lebensunterhalt der vierköpfigen Familie nicht decken. Der Vater ist arbeitslos, da er an Multipler Sklerose leidet. Trotzdem versuchen die Eltern die Sorgen von den Kindern fernzuhalten, eine für die erwachsenden Lesenden sehr gut nachvollziehbare Reaktion.

Wahre Freunde
„Sie verhielten sich albern. Sie taten als wäre alles bestens. Manchmal wollte ich aber einfach wie ein Erwachsener behandelt werden. Ich wollte die Wahrheit hören, auch wenn sie nicht schön war.“ Schnörkellos zeigt die Autorin wie Eltern oftmals das Verständnis ihrer Kinder für schwierige Sachlagen unterschätzen und sie mit Notlügen noch mehr verunsichern.

Jackson leidet still unter den Existenzsorgen der Familie. In einem hoffnungslosen, einsamen Moment entdeckt er einen grossen Kater, Crenshaw, den nur er sehen kann. In seinem Träumen findet der Junge bei Crenshaw Geborgenheit. Diese Sehnsucht nach einem Freund schildert die Autorin berührend mit bildhafter Sprache: „Imaginäre Freunde sind wie Bücher. Wir werden geschaffen, man freut sich an uns, man verpasst uns Eselsohren und Flecke und dann packt man uns weg, bis wir wieder gebraucht werden.“ erläutert Crenshaw. Träumen tatsächlich nur Kinder in Notsituationen von einem liebenswürdigen, unsichtbaren Freund? Benötigen nicht ebenso Erwachsene, an die sich diese sehr empfehlenswerte, aufschlussreiche Lektüre aus der Sicht eines von Armut betroffenen Kindes, zugleich wendet, in schwierigen Lebenslagen auch einen Kameraden?


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Fachredaktion

  • Titel
    Crenshaw - Einmal schwarzer Kater
  • Verlag
    Fischer Sauerländer
  • Erscheinungsdatum
    2016
  • Seiten
    228
  • Übersetzer:in
    Brigitte Jakobeit
  • Bewertung