Das Lachen wohnt im Bauch
Meret und Annabell wissen: Das Lachen kann geduldig warten. Es wohnt tief unten im Bauch. Dort, wo es nicht immer gleich entdeckt wird, von wo es jedoch umso lauter hervorkommt, wenn es gute Gründe hat. Der Kinderbuch-Tipp von Andrea Kromoser.
«‘So was sollen Kinder gar nicht ansehen‘, sagte ein Mann zu Frau Hafelbein. ‚So was müssen Kinder sich ansehen‘, sagte Frau Hafelbein. Es gab nichts, was sie Meret nicht zeigen würde.» – Meret wohnt bei Frau Hafelbein, die sie Mamili nennt, seit ihre Eltern bei einem Umfall gestorben sind. Ein «Baumhaus über einem steil abstürzenden Wasserfall» ist das Zuhause dieser beiden spannenden Frauenfiguren. Frau Hafelbein kennt das Leben schon lange, weiss damit umzugehen. Meret hat auf ihre jungen Tage schon viel erlebt, musste den Tod ihrer Eltern verkraften.
Beste Freundin gesucht!
Petra Fietzek stellt ihrer kindlichen Protagonistin eine starke Frau zur Seite. Eine Erwachsene, die dem Mädchen Eigenverantwortung lehrt, für die es nichts gibt, was einem Kind nicht gezeigt werden könnte, ja sogar müsste. So wie Frau Hafelbein mit Meret umgeht, tut es auch die Autorin mit ihren Leserinnen und Lesern. Sie nimmt sie ernst, traut ihnen viel zu: einen ruhigen, unaufgeregten Text beispielsweise, der ohne grosse Spannungsmomente erzählt ist, für den Geduld vonnöten ist. Oder auch Merets gar nicht so einfache Suche nach einer Freundin (weil Frau Hafelbein sagt, sie selbst sei schon alt und Meret müsste langsam auch jemanden anderen haben, um sich auszutauschen). Die Reflexion darüber, warum manche Kinder in der Klasse nicht so gut für richtige Freundschaft taugen, wird hier der Leserschaft ebenso zugetragen wie die Geschichte der traurigen Annabell, die wie die Protagonisten weiss, was es heisst, die Mutter zu verlieren.
Tröstende Poesie
Spätestens wenn die beiden Mädchen Hand in Hand am Friedhof stehen, sich gegenseitig die Gräber ihrer Eltern zeigen, wird klar, dass «Das Lachen wohnt im Bauch» so viel mehr ist, als eine manchmal traurig und immer ruhig erzählte Geschichte über Freundschaft. Denn dieses Buch vermag zu trösten, es umspinnt seine Leserschaft mit einer stillen sowie eindringlichen Poesie und hält ganz nebenbei auch witzige Pointen bereit. Federführend für die Vermittlung der wechselnden Stimmungslagen sind Marine Ludins Illustrationen, die zentrale Textstellen hervorheben, auf bildlicher Ebene weitererzählen und die Charakteristika der Figuren unterstreichen.
Insgesamt eignet sich dieser nur 62 Seiten schmale Band mit seinem übersichtlichen Schriftbild, kurzen Sätzen als auch aussagekräftigen Bildern wunderbar für noch weniger geübte Leserinnen und Leser. – Frau Hafelbein jedenfalls würde diese Geschichten allen zutrauen, zum Selberlesen und zum Vorlesen!
Andrea Kromoser
