Der Kaugummigraf
Kirsten Reinhardt lässt in ihrem humorvollen Kinderbuch einen alten Mann von der turbulenten Rettung seines stillgelegten Bahnhofs erzählen und davon, wie ein quirliges Mädchen sein einsames Leben gehörig auf den Kopf stellt. Der Eltern-Tipp von Martina Friedrich.
«Immer, wenn ich meinen Zeitplan nicht eingehalten hatte, war etwas Furchtbares geschehen. Was würde dieser verpasste halbe Tag in meinem Leben anrichten?», fragt sich Eberhart von Eberhartshausen, der seit vierzig Jahren völlig zurückgezogen in einem stillgelegten Bahnhof ausserhalb der kleinen Stadt wohnt. Ein selbsterstellter, minutiöser Zeitplan strukturiert seine einsamen Tage, bis er eines Nachmittags auf der Veranda ein leicht verwahrlostes Kind entdeckt. «Du bist echt ein komischer Kauz», sagte es. «Aber dein Bahnhof gefällt mir. Kann ich mich mal umgucken?»
Allergisch gegen Ungerechtigkeiten
Die Berichte der kleinen Eli lösen bei dem Einundachtzigjährigen Erinnerungen aus: «Ja, ich wusste wieder, wie es ist, ein Kind zu sein. Ein Kind, das keiner so richtig ernst nimmt, auch wenn der eine oder andere vielleicht so tut. Ein Kind, das den Launen der Erwachsen ausgeliefert ist. Und ich wusste, wie es sich anfühlt, allein zu sein.» All das erlebt auch Eli in dem generationsübergreifenden Kinderbuch, das aus der Perspektive des alten, streng erzogenen Mannes erzählt wird, der allerdings auch gerne mal auf das gute Benehmen pfeift. Eli, das schmutzige, freche Mädchen wird von seiner Mutter ohne Erklärung bei der ihr unbekannten Grossmutter Madenbach zurückgelassen. Zufällig hört Eli, dass die Grossmutter den Abriss des alten Bahnhofs plant, da der kauzige Bewohner ohnehin ein Kandidat für Altersheim sei. «Bei Ungerechtigkeiten werde ich allergisch, musst du wissen», sagte sie und starrte wütend vor sich hin. «Also bin ich zu dir, um mir diesen Bahnhof und diesen Kauz mal anzusehen. Ich wollte ja sowieso ausreissen. Du lagst auf dem Weg.»
«Ein Kaugummi ist wie ein Fingerabdruck, nur viel besser»
Schnell schmieden die beiden einen Plan, um den Bahnhof mit der ungewöhnlichen Sammlung von gekauten Kaugummis zu retten. Und selbstverständlich will Eli mehr über die Lebensgeschichten der ehemaligen Kaugummibesitzer erfahren. Diese Geschichten bereichern die witzige Lektüre und geben einen Einblick in die Kindererziehung vor achtzig Jahren. Ausserdem erzählt die Autorin Kirsten Reinhardt einfühlsam über das endgültige Abschiednehmen von liebgewordenen Gefährten, vom Wunsch alter Menschen, ihre privaten Angelegenheiten vor dem Tod zu ordnen und ihnen wichtige Dinge den nächsten Generationen anzuvertrauen.
Fachredaktion
 
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    TitelDer Kaugummigraf
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    Autor:inKirsten Reinhardt
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    VerlagCarlsen
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    Erscheinungsdatum2017
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    Seiten224
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    Illustrator:inMarie Geißler
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    Bewertung
 
									 
									 
									 
									