Froschmaulgeschichten
Elmer kippt kopfüber in den See, die Brüder Hanuk und Oliver singen „Weißt du wieviel Sternlein stehen“, Adrians Vater ist angeblich ein Säufer und Ingers ein Geheimagent. – Andreas Steinhöfel erzählt in „Froschmaulgeschichten“ von unterschiedlichen, mitunter komplizierten Begebenheiten und von Kindern, deren Leben gerade in den verschiedensten Tönen spielt. Der Tipp von Andrea Kromoser.
Irgendein Ferienlager. Eine laue Sommernacht – die letzte vor der Abreise. Egal, wann und wo genau diese Geschichte spielt, es fällt leicht ihre Grundstimmung nachzuvollziehen: „Aufgeregt wegen der bevorstehenden Heimreise würden sie alle sein, sich spätabends ein letztes Mal ums Lagerfeuer versammeln, züngelnde Flammen und zischende Glut, Würstchen auf Stöcken, und alle würden ihre gebatikten T-Shirts tragen und sie würden singen von brausenden Wogen und der Abend würde warm sein“. Der Text mit dem Titel „Bruders Hüter“ erzählt von Ulfs Zeit im Ferienlager. Dort kommt er zur Ruhe, denkt nach, reflektiert und beobachtet. Vor allem die beiden Adoptivbrüder Oliver und Hanuk beschäftigen ihn. Wie ist es möglich, dass sich zwei Brüder, die nicht dieselben Eltern haben, so ähnlich sind? Warum antwortet der eine, wenn der andere gefragt wird? Am letzten Abend im Ferienlager hört Ulf vom traurigen Geheimnis der beiden Buben – ein paar Sätze einer heimlich belauschten Unterhaltung aus dem Betreuerhaus, in dem noch Licht brennt. Alles ist gesagt und nichts mehr ganz so, wie es vorher war.
Ein Satz – und alles ist gesagt
Andreas Steinhöfel erzeugt Stimmung in langen, geschwungenen Sätzen und lenkt seine Texte mithilfe dazu kontrastierten, kurzen sowie ausdrucksstarken Wendungen: „Wenn ich eine Schwester oder einen Bruder hätte, wären wir schön längst zu zweit über alle Berge.“ Ein Satz – und alles ist gesagt. Vielleicht ist es dieser eine Satz, wie hier in der Geschichte „Novemberwind“, der die unterschiedlichen „Froschmaulgeschichten“ eint; manchmal als klares Statement, ein anderes Mal als neue Idee oder spontane Handlung. Mit gewohnt psychologischem Tiefgang erzählt Steinhöfel von kindlichen Persönlichkeitsentwicklungen sowie glücklichen, bis tief verzweifelten Erfahrungen, immer mit genügend Platz für eigene Gedanken-Freiräume.
Alle acht Kurzgeschichten sind von 1997 bis 2006 bereits in unterschiedlichen Kontexten erschienen und jetzt neu in diesem schönen, mit stimmigen Bildern versehenen Band versammelt. Peter Schössows Vignetten agieren als Schattenfiguren, welche die Charakterisierung der ProtagonistInnen dem Text überlassen und dennoch – kleinen, ausdrucksstarken Vorreden gleich – einen ersten Eindruck über die Figurenkonstellationen der jeweiligen Geschichten geben. Die zwei Brüder Hanuk und Oliver zum Beispiel stehen ein Stück weit voneinander entfernt. Zwei unterschiedliche Typen in der genau gleichen Körperhaltung, deren Schatten sich jedoch zu einer einzelnen Figur vereint.
Andrea Kromoser
-
TitelFroschmaulgeschichten
-
Autor:inAndreas Steinhöfel
-
GenreFiction
-
VerlagCarlsen
-
Erscheinungsdatum2015
-
Seiten136
-
Illustrator:inPeter Schössow
-
Bewertung