Hilfe, Gregor ist plötzlich ein Käfer
Der Verlag Beltz & Gelberg will auch ein Stück vom Erstlesekuchen abhaben. Mit zwei Büchern startet er die Reihe „Lust auf Lesen“. Ina Nefzer stellt „Hilfe, Gregor ist plötzlich ein Käfer“ vor.
Der Verlag Beltz & Gelberg will auch ein Stück vom Erstlesekuchen abhaben. Das im Buchhandel äusserst erfolgreiche Segment lockt inzwischen auch Kinderbuchverlage, die bislang so gar nichts mit Büchern für Erstleser am Hut hatten. Für die Leserschaft ist dies nur von Vorteil, denn dort muss man sich etwas einfallen lassen, um im überfüllten Markt mit eigenem Konzept behaupten zu können.
Gleich vorweg: das Buch „Hilfe, Gregor ist plötzlich ein Käfer“ ist für Erstklässler, die noch nicht lesen können, keineswegs zu empfehlen. Ab der zweiten Klasse jedoch ist es durchaus geeignet, „Lust auf Lesen“ zu machen.
Die gleichnamige, mit zwei Buchtiteln gestartete Reihe wurde mit dem neu verfassten Text „Hier kommt Henriette“ bestückt sowie einem Bilderbuch, das unter dem Titel „Der Käferjunge“ im Jahr 2000 im Verlag Middelhauve (2002 von Beltz aufgekauft) erschienen ist. Diese Information fehlt im Impressum und auch dem Text merkt man kaum an, dass er für ein anderes Genre konzipiert worden ist. Denn er eignet sich hervorragend als Lesestoff für Kinder, die mit guten Geschichten Routine im Selbstlesen gewinnen sollen.
Mein Leben als Insekt
Dass Lawrence David von Franz Kafkas „Die Verwandlung“ zu seiner Geschichte inspiriert wurde, verrät der Autor bereits selbst in der Titelei. Doch auch die Namensgebung der Hauptfigur und die Handlung sind eindeutig in ihrer Bezugnahme. Der eine wie der andere wacht eines Morgens in Gestalt eines Käfers auf und schlägt sich fortan so durch seinen Alltag.
Gregor Sampson ist noch ein Kind und merkt sofort, dass etwas nicht stimmt. Er ist verstört, als weder seine Familie, noch die Lehrerin und Mitschüler merken, dass er plötzlich als Erdkäfer durchs Leben kriecht. Lawrence David benennt die tierische Gestalt seines Protagonisten konkret als „Carabus problematicus“, was Illustratorin Delphine Durand originalgetreu umsetzt. Ausschliesslich Gregors bester Freund Michael sieht, was passiert ist, und steht ihm solange lang bei, bis auch die restliche Welt genauer hinsieht. Als Gregors Familie ihn endlich als das wahrnimmt, was er ist, wird er wieder zu dem Schulkind, das er eigentlich ist.
Ungeliebte Käfertage
Die Bildebene dieser beeindruckenden Parabel ist so klar strukturiert, dass die Metaphorik leicht zu entschlüsseln sein dürfte: einen „Käfertag“ hat der, der sich ungeliebt fühlt.
Einfach und doch literarisch raffiniert, gelingt Lawrence eine Kindergeschichte, deren Sprachbilder durch die Illustrationen von Delphine Durand an Transparenz gewinnen und die Gestalt gewordene Innerlichkeit glaubhaft visualisieren, indem Junge und Käfer beispielsweise eine ähnliche Körperstatur haben.
Wunderschön und für Erstleser sinnvoll ist auch das Buchlayout, darin sich Bilder und Text abwechseln, zudem präsentiert sich die sprachliche Erzählebene zweigeteilt - als Fliesstext und in Sprechblasen mit abweichender Typographie. Auch die Druckschrift überzeugt mit Blick auf Zweitleser, nur der sinnbezogene Flattersatz ist nicht konsequent umgesetzt, obwohl es gestalterisch möglich gewesen wäre. Der Hersteller sollte besser ein paar Nachhilfestunden nehmen, die für die Auswahl zuständige Lektorin hingegen hat es geschafft, die Erst- und Zweitleselandschaft zu bereichern.
Ina Nefzer

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TitelHilfe, Gregor ist plötzlich ein Käfer
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Autor:inLawrence David
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GenreFiction
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VerlagBeltz & Gelberg
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Erscheinungsdatum2019
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Seiten62
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Illustrator:inDelphine Durand
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Übersetzer:inWolfram Sadowski
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