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Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen

| Fachredaktion | Kinderbuch

Toon Tellegens und Marc Boutavants Kinderbuch "Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen" ist ein herrlich-witziges Kinderbuch über die kindliche Wut. Und einmal mehr verblüfft Tellegen mit seinen meisterhaften Illustrationen, allesamt Kunstwerek der kleinen Form.

Toon Tellegen ist einer, den man getrost einen Klassiker der Kinderliteratur nennen kann. Einer, der mit seinem Stil viele andere maßgeblich geprägt hat. Einer, dessen Werk vielfach ausgezeichnet worden ist und in deutscher Sprache leider fast ausnahmslos vergriffen ist. Nun gibt es endlich wieder einmal Neues von ihm zu lesen. Übersetzt – wie alles andere zuvor auch – von Mirjam Pressler und begleitet von Bildern des Franzosen Marc Boutavant, der in seinen Comics und Bilderbüchern zumeist das Knallig-Bunte liebt, hier aber mit Retro-Charme in gedämpften Farbtönen überrascht.

Toon Tellegen, der niederländische Meister der kleinen Form, der seit den 1980er Jahren die conditio humana in Form von Tiergeschichten erkundet, für deren Beschreibung einem zuallererst vielleicht das Adjektiv „zärtlich" in den Sinn kommt, beschäftigt sich in dem nun bei Hanser erschienenen Geschichtenband ausgerechnet mit der (kindlichen) Wut.

Geschichten, die – soweit ist dem Klappentext uneingeschränkt zuzustimmen – „ebenso poetisch wie hintergründig" über ein ganz normales Gefühl erzählen. Ob kleine Trotz- und Wutköpfe sie allerdings auch als „herrlich witzig" empfinden werden? Der erzählerische Auftakt rund um den Klippschliefer, der sich in Geschichte eins Abend für Abend einen erbitterten Kampf mit der Sonne liefert – "Nicht untergehen! Nein! Nicht! Lässt du das bitte bleiben! Ich warne dich!" – lässt jedenfalls eindringlich durchleben, was mit der Wut alles einhergeht: Trotz, Trauer, Einsamkeit, schiere Verzweiflung und am Ende das bittere Gefühl, von allen und um alles betrogen zu sein: „Aber die Sonne will ja nicht hören. Er schüttelte den Kopf. Übrigens, dachte er, will überhaupt irgendjemand irgendetwas hören?"

Doch, ja, wir wollen das hören. Und wollen weiterlesen. Auch wenn wir erst mal schlucken müssen, weil uns der Klippschliefer so traurig in die Augen schaut, während er allein da oben auf seinem Hügel steht, während Marc Boutavant die Landschaft rundum in gedämpftes Rot taucht. Die Sonne ist längst wieder verschwunden. Und wir spüren die Wut jetzt ganz gut. Und müssen weiterlesen. Über den Elefant in Geschichte zwei, der ständig vom Baum fällt und trotzdem beharrlich erneut hinaufklettert, voller Wut auf sich selbst. Und dann noch vom Erdferkel, der Spitzmaus und dem Eichhörnchen ... Bis uns die Ameise verrät, was man mit der Wut alles machen kann: Du kannst deine Wut einfach wegpusten. Oder sie aufessen, wegsingen, runterschlucken. Eine Mauer drum herum bauen. Oder mit ihr Tanzen.
Und: Sie hegen und pflegen. Denn das Allerschlimmste wäre ein Leben ganz ohne Wut.


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Fachredaktion

  • Titel
    Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen
  • Autor:in
    Toon Tellegen
  • Verlag
    Hanser
  • Erscheinungsdatum
    2015
  • Seiten
    80
  • Illustrator:in
    Marc Boutavant
  • Übersetzer:in
    Mirjam Pressler
  • Bewertung