Sally Jones – Mord ohne Leiche
Sally Jones, eine schachspielende Gorilladame, die als begabte Mechanikerin ihr Geld verdient, steht im Mittelpunkt von Jakob Wegelius melancholischen Abenteuerroman. Mutig sucht Sally Jones nach dem einzigen Zeugen, der die Unschuld ihres Freundes Henry Koskela beweisen kann. Der Buch-Tipp für Kinder und Erwachsene von Martina Friedrich.
„Viele halten jetzt den Chief für meinen Besitzer. Aber der Chief ist keiner, der andere besitzen will. Er und ich sind Geschäftspartner. Und Freunde.“
Chief und Gorilladame Sally Jones, die Lesen und Schreiben, aber nicht sprechen kann, besitzen ein kleines, dampfbetriebenes Frachtschiff. Scheinbar zufällig begegnen die beiden in einer Hafenkneipe Morro, der ihnen einen Auftrag vermittelt. Sie sollen Keramikfliesen von Agiere nach Lissabon transportieren. Zu spät bemerken sie, dass Morros Hintermänner Putschisten sind. Die unglücklichen Geschehnisse nehmen ihren Lauf und gipfeln darin, dass Chief für einen nicht begangenen Mord an Morro zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt wird. Sally Jones muss als Affe eines angeblichen Mörders um ihr Leben fürchten. In dieser verzweifelten Situation trifft sie auf die hilfsbereite Fabrikarbeiterin Ana, die nach Feierabend berührend Fado singt.
Als Maschinist nach Bombay
Als Sally zufällig einen Hinweis auf Morros neuen Aufenthaltsort in Indien findet, heuert sie kurzentschlossen als Maschinist auf einem Stückgutfrachter nach Bombay an. Auf dieser langen Reise begegnet die empfindsame Gorillafrau den unterschiedlichsten Menschen. Nur mit ihrem wachen Verstand gelingt es ihr, sich aus gefährlichen Gegebenheiten zu retten. Dabei verliert Sally beinahe die Zuversicht. Doch sie gibt nie auf.
Diese Situationen beschreibt Jakob Wegelius für die jüngeren Lesenden gut nachvollziehbar, indem er sich auf bekannte Situationen aus dem Kinderalltag bezieht. Dabei lässt der schwedische Autor Sally Jones ihre unglaublichen Erlebnisse selbst mit bildhafter Sprache erzählen: sie schreibt sie auf einer selbstreparierten Schreibmaschine nieder.
Untergetaucht in Lissabon
„Ich lag auf Anas Bank, starrte zur Decke hoch und dachte an den Chief im Gefängnis und dass er wohl noch über zwanzig Jahre dort bleiben würde. Wenn ich doch noch zwei Wochen früher nach Cochin gekommen wäre! Dann wäre Morro nicht entkommen. Und der Chief wäre vielleicht schon frei.“
Von ihrer abenteuerlichen Reise zurück in Lissabon kann Sally Jones endlich wieder gemeinsam mit Ana in deren kleiner Dachwohnung leben. Tagsüber arbeitet die Gorilladame in der Werkstatt des talentierten Musikinstrumentenbauers Signor Fidaro. Hier, bei ihren Freunden, kann sich Sally vor den Verfolgern verstecken, die ihr nach dem Leben trachten. Denn Sally muss leben, ist sie doch die einzige Zeugin, die den flüchtigen Morro wiedererkennen und so vor Gericht die Unschuld von Chief, der mittlerweile seit Jahren unschuldig im Gefängnis sitzt, beweisen kann.
Reise zurück in der Zeit
Der Roman lebt von den vielfältigen, treffend charakterisierten Nebenfiguren, die Sally nicht immer wohlgesonnen sind. Zudem entführt die Lektüre in die Zeit um 1910. Eine Zeit, in der Flugzeuge eine Sensation darstellen, Schallplatten auf dem Grammofon abgespielt werden und Reisen mit einem Dampfschiff Monate dauern. Das Cover des Buches ist, ebenso wie die detailreichen, schwarzweissen Illustrationen des Autors Lithographien nachempfunden. Sie beziehen sich auf die Abenteuerbücher vor fast hundert Jahren, die man in Omas Bücherschrank entdecken kann.
Die über sechshundert zu lesenden Seiten, dieser von der ersten bis zur letzten Zeile packenden Familienlektüre eignet sich sehr gut zum Vorlesen an langen gemütlichen Abenden.
Fachredaktion

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TitelSally Jones – Mord ohne Leiche
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Autor:inJakob Wegelius
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VerlagGerstenberg
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Erscheinungsdatum2016
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Seiten624
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Illustrator:inJakob Wegelius
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Übersetzer:inGabriele Haefs
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Bewertung