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Zeitreise mit Hamster

| Antje Ehmann | Kinderbuch

Wenn du in die Vergangenheit reisen könntest, was würdest du tun? Würdest du bewusst Veränderungen vornehmen? In welches Jahr würde dich deine Reise führen? – Ross Welford spürt Fragen wie diesen nach und schickt uns auf ein aufregendes Abenteuer zwischen den Zeiten. Der Kinderbuch-Tipp von Andrea Kromoser.

Die Reise beginnt im Kopf. In der Vorstellungskraft um genau zu sein. Und mit dem Glauben daran, dass rational nicht genau erklärbare Vorgänge reale Lebenswelten verändern können. Das klingt komplex – ist es auch. Denn schliesslich hat das alles mit niemand geringerem als Albert Einstein und dessen Relativitätstheorie zu tun. Sehr bewusst gibt der Londoner Autor Ross Welford dem zwölfjährigen Protagonisten seines faszinierenden Kinderbuchdebüts daher auch den Namen Al Chaudhury. Al von Albert. Und diesen schlauen, wortgewandten und witzigen Ich-Erzähler begleiten wir nun auf seine gefährliche Mission: Sein verstorbener Vater hat ihm eine Vorrichtung für Zeitreisen hinterlassen, verbunden mit der zwar unwahrscheinlichen, aber doch nicht ganz von der Hand zu weisenden Möglichkeit, dessen Tod zu verhindern. Dafür müssten „nur“ einige Dinge in der Vergangenheit verändert werden: jemanden gewarnt und einen Stein beiseite gerollt werden. Scheinbar leicht auszuführende Aufgaben …

Ethik der Zeitreise
Klar, auf den ersten Blick erscheint für einen Zwölfjährigen nichts erstrebenswerter als seinen über alles geliebten, fürsorglichen, die besten Gute-Nacht-Geschichten erzählenden Vater zurück zu bekommen. Doch Ross Welford schenkt seiner Figur die Gabe kritisch zu hinterfragen und Gefahren auszuloten. Mit den Worten des kindlichen Ich-Erzählers stellt er die Thematik der Zeitreise zur Diskussion, indem er sie mit ethischen Fragestellungen der Realität verknüpft. Al richtet sich in der Wir-Form direkt an die Lesenden, erklärt uns, was genau er sich überlegt hat und stellt konkrete Fragen: „Was würdet ihr tun?“
Was also, würden wir tun, wenn jemand, der uns sehr nahestand, mittels eines hinterlassenen Briefes darum bittet, für ihn in die Vergangenheit zu reisen? Tragen wir Verantwortung für unsere eigene Geschichte? Wenn ja, kann diese Zuständigkeit so weit reichen, dass wir uns in die Taten unserer eigenen Vorfahren einmischen und dafür – wie in Als Fall – in das Jahr 1984 reisen?

Persönliche Entscheidung
Während für erwachsene Leserinnen die Wahl dieser Jahreszahl keinesfalls zufällig erscheinen mag und an manchen Stellen George Orwell grüssen lässt, dürfen kindliche Leser in eine heute für sie fast nicht mehr vorstellbare Vergangenheit ohne Handykameras, mit Wählscheibentelefonen und Fernsehtestbildern eintauchen. Das klingt doch verlockend, oder? Vielleicht ist es so ja wirklich möglich zu erleben, wie der eigene Grossvater als junger Mann gewesen ist? Oder den Vater als Kind zu treffen? Was also würden wir tun? Würden wir uns auf diese Reise begeben? – Al hat seine Entscheidung getroffen:
„Keine Ahnung, wie ihr das seht, aber ich mache das nicht, ohne es vorher zu testen. Erst einmal stelle ich alles – Wanne, Computer und schwarze Kiste – auf den Boden, damit alles stabiler ist. (…) Supervorsichtig gebe ich auf dem Laptop erst alle Buchstaben auf dem schwarzen Kasten ein, dann 102030071984, dann die restlichen Ziffern. Das ist zwanzig nach zehn am 30. Juli 1984, an genau dieser Stelle. Enter.“


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Antje Ehmann

Antje Ehmann schreibt für Leporello über Sachbücher.
  • Titel
    Zeitreise mit Hamster
  • Autor:in
    Ross Welford
  • Genre
    Fiction
  • Verlag
    Coppenrath
  • Erscheinungsdatum
    2017
  • Seiten
    368
  • Übersetzer:in
    Petra Knese
  • Bewertung